Suizidprävention geht uns alle an!

von Markus Schaaf

Votum im Zürcher Kantonsrat in der Debatte vom 14.01.2013

Jährlich nehmen sich in der Schweiz etwa 1‘300 Männer und Frauen das Leben. Das heisst konkret: jeden Tag sterben in der Schweiz 3-4 Menschen durch Suizid.

Etwa 10% der Menschen in der Schweiz unternehmen im Laufe ihres Lebens einen Suizidversuch.

Rund 50% der Menschen geben in Befragungen an, im Laufe des Lebens wenigstens an einen Suizid oder Suizidversuch gedacht zu haben.

Nun könnte man natürlich sagen: „Wir leben in einem liberalen Staat. Wir wollen die Eigenverantwortung des Einzelnen respektieren. Wenn sich jemand das Leben nehmen will, dann darf er das. Dass ist sein freier Wille, und diesen gilt es zu respektieren.“ Dieser Argumentation gilt es entschieden entgegenzutreten. 60-90% der Suizidenten erfüllen die diagnostischen Kriterien einer psychischen Störung, zumeist Depression; bei Jugendlichen stehen jedoch sehr oft vorübergehende Krisen als Auslöser von Suizidhandlungen im Vordergrund. Suizid geschieht fast immer als Kurzschlusshandlung, in einer Situation der Auswegslosigkeit.

In einer Krise erscheint der Suizid als der einfachste oder letzte Ausweg. Aber Suizid ist keine Lösung, denn jeder Suizid richtet immer einen unendlich grossen Schaden an. Von einem Suizid ist stets ein ganzes Netzwerk von Menschen betroffen. Partner, Kinder, Angehörige, Freunde und Kollegen, sie alle bleiben zurück, mit ihren Gefühlen von Trauer, Schmerz, Fragen, Schuldgefühlen, Wut und Hilflosigkeit. Der Schaden, der bei einem Suizid hinterlassen wird, ist stets unendliches Leid. Als Gesellschaft kann es deshalb nur eine Antwort geben: „Suizid ist kein akzeptabler Weg, um Probleme zu lösen! Suizid ist eine Sackgasse!“

Die EVP hat den Expertenbericht des Regierungsrates zur Suizidprävention mit grossem Interesse gelesen und hat eine interessante Feststellung gemacht:

Ein Kompliment an den Regierungsrat

Wie oft hören wir vom Regierungsrat, dass er für dieses oder jenes Problem nicht zuständig sei. Entweder müsse man sich auf Bundesebene in Bern darum kümmern, oder es sei Sache der Gemeinde.

Hier, beim Thema Suizidprävention, ist es für einmal anders. In geradezu wohltuender Weise setzt sich der Regierungsrat hier mit einem gesellschaftlichen Phänomen ernsthaft und konstruktiv auseinander.

Mit dem 3-Phasenmodell, welches uns am Schluss des Berichtes vorgestellt wird, zeigt die Regierung auf, welche konkreten Massnahmen geplant sind, welche Direktion und welches Amt dafür zuständig ist und mit welchen Kosten etwa zu rechnen ist. Es fällt auf, dass jede Direktion bei der Umsetzung der geplanten 16 Massnahmen auf die eine oder andere Weise im Projekt beteiligt ist.

Diese direktionsübergreifende Zusammenarbeit ist geradezu beispielhaft. Lieber Regierungsrat – genau so stellen wir uns Regierungsarbeit vor. Was wäre in unserem Kanton plötzlich alles möglich…

Ein wichtiger Kritikpunkt

Erlauben Sie mir trotzdem einen kleinen Kritikpunkt am Bericht anzubringen. Die Verfasser weisen darauf hin, dass Suizide in aller Regel in einer Situation der Krise geschehen und quasi das Ergebnis eines psychischen Unfalls sind. Der Bericht unterscheidet dann zwischen „gewöhnlichen Suiziden“ und „assistierten Suiziden.“ Genau diese Unterscheidung erachten wir jedoch als sehr problematisch. Denn auch die assistierten Suizide geschehen in einer Krise, in einer Situation der scheinbaren Ausweglosigkeit. Und auch assistierte Suizide hinterlassen bei den Hinterbliebenen die gleichen Empfindungen. Als Gesellschaft müssen wir auch diesen Menschen mehr bieten können, als die sichere Begleitung in den sicheren Tod.

Wer einen Suizidversuch überlebt hat, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % nicht durch einen weiteren Suizidversuch sterben. Weshalb soll diese Erkenntnis nicht auch für alte und kranke Menschen gelten?

Sparen bei der Prävention

Gegen Ende des Berichts steht der Satz: „Suizidprävention ist ein klassisches ‚Querschnittsthema.‘“ Leider ist es aber auch so, - und das steht jetzt nicht mehr im Bericht - dass „Prävention“ ein klassisches Sparthema ist. Zu schnell kommt die Versuchung, ob denn wirklich all die Massnahmen nötig seien. Und ob man hier nicht zu viele Ressourcen investiere, und die Wirkung kaum nachgewiesen werden könne. Es wird wohl über kurz oder lang die Frage auftauchen, ob die Massnahmen zur Suizidprävention wirklich nötig seien. Deshalb zum Schluss noch eine wichtige Erkenntnis aus dem Expertenbericht: Mit geeigneten Massnahmen können die aktuellen Suizidraten halbiert oder sogar auf einen Drittel reduziert werden. Das ist doch einmal eine klare Ansage. Geschätzte Anwesende – genau diesen Erfolg müssen wir erreichen!

Wir danken der Regierung und den involvierten Fachleuten für den Expertenbericht und werden die weitere Entwicklung und Umsetzung der Massnahmen mit grosser Aufmerksamkeit verfolgen.